Opel 1290 Motorlager: Lowcost-Repair 2018-2019

 

Alles begann mit einem Erweiterungssatz für mehr Ölfördermenge der Ölpumpe, den ich bei Ebay ersteigert hatte. Leider habe ich nicht nur eine Aluplatte und zwei Zahnräder, sondern auch gleich noch einen Konstruktionsfehler mitgekauft. Kurz gesagt, die Ölbohrung für das mitlaufende Zahnrad fehlte, was sich dann durch ein Abscheren der Welle und Totalausfall bei der Fahrt bemerkbar machte. Damals schien nach Ausbuchsen und neu Bohren alles prima. Jedoch hatte ich einen unruhigen Lauf bei höheren Geschwindigkeiten (beim Opel 1290 sprechen wir hier von über 70 km/h). Später hörte es sich beim Ankurbeln des Fahrzeugs an, als würde irgendwo ein Zündfunken fehlspringen. Das intensive mehrfache Absuchen der ganzen Zündanlage ergab aber keinen Fehler. Warum auch, war das Geräusch doch anderen Ursprungs, was ich aber damals noch nicht wusste.

Bis…

Naja, am 3. September 2018 war mein Alltagsauto in der Werkstatt und ich fuhr mit dem Opel die 30 km zur Fima. Angekommen bin ich auch und parkte stolz mein Fahrzeug.

Das war das letzte Mal, dass der Wagen sich gut anhörte, denn am Nachmittag beim Starten klang es, als würde ein kleiner Zwerg im Motor mit einem 2 kg-Fäustel mit voller Wucht gegen das Motorgehäuse schlagen.

Was war passiert? Also, nach Hause schleppen und die Suche ging los:

Anscheinend hatte ich durch das Problem mit der Ölpumpe einen Lagerschaden am mittleren Hauptlager erlitten und das Hin- und Herbiegen führte schließlich zum Riss in der Welle.
Was ich als Zündfunken hörte, war das Herausdrücken von Öl aus dem Spalt beim Drehen. Bei dem Abkühlen auf dem Firmenparkplatz, riss nun die Welle komplett durch. Das Hämmern zerstörte alle Federbleche der Kupplungsscheibe, gab Haupt – und Pleuellagern den Rest…

Die Suche ging los und ich konnte (durch einen Hinweis beim Alt- Opel- IG- Stammtisch in Iserlohn) für wenig Geld einen kaputten Motor mit intakter Welle bekommen. Der Motor liefe angeblich noch, sei nur undicht und würde Wasser verlieren.

Na ja, Wasser verlor er tatsächlich nur zur Hälfte, denn die andere Hälfte war im Öl; oder sollte ich sagen: „Das Kühlwasser in der Ölwanne wurde vom Motoröl verdünnt..?“

Dem ursächlich waren auch alle 4 Pleuellager kaputt gefressen. Die Hauptlager seltsamerweise nicht, wobei im mittleren Hauptlager ein Stück Weißmetall ausgebrochen war. „Das muss definitiv neu!“, dachte ich und sah mich vor mehreren tausend Euro Reparatur, da bei einem Opel von 1934 alle Lager auf die Wellen passend in die Gehäuse gegossen und gebohrt wurden. Und das kann noch nicht mal jeder Motorinstandsetzer.

Das musste anders gehen und definitiv günstiger – nur wie?

Ich forschte etwas im Internet und wurde auf eine Reportage der Schweizer Zillertalbahn aufmerksam (https://www.youtube.com/watch?v=krnQ4tBuquo), welche die Wellen und Lagerschalen mit Brennern erhitzen, dann die Wellen mit sauerstoffarmer Flamme einrußen und das Weißmetall dann eingießen. Nach dem Abkühlen werden die Lager nachgearbeitet (also die Poren verschlossen) und poliert. So etwas musste bei mir doch auch machbar sein. Meine Idee war später, ein Werkzeug aus Aluminium zu bauen, da sich dieses mit Weißmetall aufgrund der Oberflächenkorrosion schlecht verbinden würde. Weiterhin sollte die stärkere Ausdehnung des Aluminiums von Vorteil beim Entformen sein. Ich ließ mir also ein Werkzeug drehen, welches mit dem Bund aufliegt und ich von oben in eine Schale Metall eingießen kann.

 



Das Weißmetall (WM80) erhielt ich über Ebay aus Ennepetal und einen elektrischen Schmelztiegel aus China, der aber erst noch auf EU-Stecker umgelötet und mit vernünftiger Erdung versehen werden musste. Man(n) wollte ja dieses Abenteuer überleben!


Der erste Versuch startete: Das Zinn aus einer mittleren Motorlagerschale der gerochenen Kurbelwelle wurde ausgeschmolzen, in das Aluminiumwerkzeug eingespannt (aufgeschnittene Schlauchklemmen zeigten hier ihren Einsatz) und ab auf dem Grill erhitzt.

 

 

Das Vorwärmen des Werkzeugs erfolgte auf meinem Säulengrill, mit dem ich auch über 500°C erreichen kann, seit ich ihm einen Druckluftanschluss spendiert habe. Als idealen Punkt fand ich jedoch nach einigen Versuchen die Temperatur von 380°C an der kältesten Stelle…

 

Nach einigen Versuchen hatte ich das erste Lager, musste aber feststellen, dass Bohrung und Außenradius etwas versetzt verlaufen, da die Lager gedreht und dann auseinandergesägt wurden. Also noch mal Gießen, diesmal mit angepassten Seitenteilen des Werkzeugs.


Auch war ein Bund nicht komplett mit Lagermetall überzogen – beim nächsten Versuch wurde mehr Sorgfalt auf die Zentrierung gelegt. Nach dem Ausschmelzen der richtigen Lagerschale und dem Giessen stand ich nun vor dem Problem einen korrekten Zieldurchmesser erreichen zu müssen, hatte ich doch den Durchmesser ehr eng gewählt und dann mussten vorab auch noch einige Poren autogen verlötet werden.


Das war übrigens auch etwas, was man erst mal lernen muss: Zuerst goss ich in Gips einen Stab WM80, den ich dann mit kleiner Flamme schmolz. Ja, Sie lesen richtig, man schmilzt das Stabmetall, nicht das Metall der Lagerschale. Denn es soll eine kleine Kugel in die Pore tropfen. Ist dieses geschehen, erhitzt man diese nur an der oberen Rundung (fern der Schale) bis diese plötzlich einsinkt. Es bleibt eine kleine Erhebung, die danach wegzuschleifen ist.


 

Wie schleift man das nun?

Es lebe der 3D-Drucker (bei mir zwar nur ein Chinamodell, aber es war die Lösung):
Ich baute nun mit zunehmendem Durchmesser mehrere Ronden bis Solldurchmesser minus zweimal Schleifpapierdicke, fügte einen schrägen Schlitz ein und spannte mein Ergebnis schließlich in die Standbohrmaschine.

 

 

Nun schleift man in der Bohrmaschine aber nun vor Allem die Ränder. Egal, denn ich spannte einfach nur einen schmalen Streifen ein und konnte so auch gezielt die Mitte nacharbeiten, bis das Lehreisen nicht mehr quer in der Lauffläche wackelte.

 Wann aber nun ist genug geschliffen? Erst einmal sei gesagt, dass man Pro Schliff nicht einmal 0,05 mm herausbekommt, da das Schleifpapier superschnell mit dem Lagermetall zu sitzt und getauscht werden muss. Erst einmal habe ich immer wieder das Lager locker aufgelegt, sobald es zu passen schien, wurde es fertig verschraubt. Dies ging, weil ich nur eine Hälfte des Kompletten Lagers erneuern musste. Drehte sich die Welle nicht mehr, musste noch was weg. Sobald sie schwergängig lief kam Tuschierpaste hinzu um zu zeigen, wo es im wahrsten Wort noch klemmt! Zuletzt noch den Ölkanal mit einem Dremel- Sägeblatt breit genug einbringen.



Aber Vorsicht: Als alles fertig war, musste ich feststellen, dass die Bindung zwischen Trägermetall und Weißmetall kaum da war und sich Lagermetall und Träger dann auch leicht trennen ließen.

 

Also fing ich wieder von Vorne an, diesmal mit zusätzlichem Vorverzinnen mit Verzinnungspaste…

 

„Drum prüfe, ob sich’s ewig bindet oder man ´nen Spalt hier findet!“


 

Nun, das war der erste Teil, der zweite sollte sich viel schwieriger gestalten, denn auch die Pleuels hatten alle aufgrund des Wassers im Motor extreme Fressspuren und bis zu 0,5 mm Radiallspiel.

Was macht ein gegossenes ein Pleuellager aus?

-         Zentrische Weissmetallfüllung mit sehr genauer Bohrung, angepasst an den Durchmesser der Kurbelwelle (Ok, das hatte ich beim Hauptlager auch…)

-         Bestehend aus Ober und Unterteil (Ups, also konnte ich das Metall diesmal nur seitlich eingießen!)

-         Rechts und links vom Stahlkörper des Pleuels ist ebenfalls Weißmetall als Stirnfläche vorhanden, welche die Abdichtung zu den Schultern der Kurbelwelle gewährleisten muss. (also muss das Werkzeug breiter als der Pleuel sein).

-         Der Pleuel muss annähernd senkrecht zur Bohrung verlaufen aber genau parallel zur Bohrung des Bronzelagers für den Kolben.

-         Nach dem Ausgießen darf man nicht die Lager auseinander sägen müssen, denn das geht nur, wenn man auch Stahl des Pleuels wegsägt (ich kam auf die Idee Aluminiumtrennfolien einzulegen, die aus extrem dünnen Alublech geschnitten wurden und zwischen die Lagerhälften eingeschraubt wurden).

-         Nicht zuletzt zu nennen: Da ist noch ne Ölbohrung zum Kolbenlager, welches nicht verstopft werden darf (Mmhh – Alufolie aus der Küche würde hier helfen).

 

Und wieder ging ich an den PC um meine Ideen in Zeichnungen zu bringen:

 

Diesmal musste wieder der Drucker herhalten, eh es in Alu gehen sollte:

Auch hier musste ich feststellen, dass es noch Optimierungsbedarf gab: eine seitliche Spannschraube sollten das obere Pleuelauge spielfrei anpressen und somit die Parallelität gewährleisten. Eine Stützschraube sollte diesen Zustand fixieren.

 



Als ich nun das Werkzeug in Alu vor mir hatte, kam nun die Überlegung auf, wie ich das geschmolzene Weißmetall in die 5mm-Bohrungen bringen könne. Auf einen Rand am Oberteil verzichtete ich bewusst. Zuerst fertigte ich einen kleinen Trichter, der sich aber schnell als zu schwierig im Einsatz zeigte. Also musste ein abnehmbarer Rand her.

In Alu hatte ich ihn absichtlich nicht drehen lassen, denn wenn sich das Alu beim Abkühlen stärker als das Weißmetall zusammen zieht, würde ich wohlmöglich die Oberseite nicht mehr vom Metall reinigen können. Es kam nun also auch hier wieder eine Schlauchschelle zum Einsatz.


 

Nun also wieder Lagermetall ausschmelzen, Lagerstelle mit Verzinnungspaste vorbehandeln, Ölbohrung mit Alufolie verstopfen, Pleuelteile mit Zwischenblechen zusammenschrauben, rein ins Werkzeug und ab auf`n Grill, heizen bis 380°C am kältesten Punkt, ab in den Sand (Ach ja, das musste ich auch lernen, denn mein Werkzeug war nicht dicht genug, so dass ich es nach dem Grillen noch schnell in Giessand stopfen musste.) und das Metall rein. Das hört sich wieder einfach an, aber alles muss recht schnell gehen. Die Deckschicht des geschmolzenen Metalls im Tiegel muss erst entfernt werden und die Oberseite des Werkzeugs muss beim Abkühlen mit dem Gasbrenner heiß gehalten werden um das Einsickern von weiterem Metall beim Abkühlprozess zu ermöglichen.

     

Nach ein paar Stunden war dann Alles kalt genug zum Entformen und mit einem Gummihammer und einem beherzten Schlag waren die Seitenteile gelöst. Auch der Kern war leicht ausgedrückt (der starke Schwund des Alu zeigte Wirkung). Die Trennung des Ober- und Unterteils erforderte Mut, doch zeigte sich aufgrund der Aluminiumtrennfolien als sehr einfach und problemlos.

 

(links Rohling mit Aluminiumtrennfolien, rechts nach Auseinanderschlagen)


 

Nun also die Stirnflächen auf dem Bandschleifer säubern, Ober- und Unterteil verschrauben und ab auf die Bohrmaschine zum Einschleifen (sprich wieder mal Werkzeuge vom 3-D-Drucker). Schwierig und viel Kontrolle verlangte es hier, damit die Bohrung gerade bleib.

Die Geschwindigkeit nicht zu schnell und den Pleuel nur leicht geführt, und nicht feste gehalten, aber das musste ich erst lernen und die ganze Vorarbeit auch das eine oder andere Mal wiederholen.

 

Alles wieder geschliffen bis die Einzelteile auf die Welle passten, dann im Montierten Zustand auch mit Tuschierpaste ein gutes Bild machten. Danach noch die Breite auf dem Bandschleifer der Schulterbreite der Kurbelwelle angepasst und dann die Kanten 2 mm breit 45° angefast. Und das Ganze musste viermal bis zum Erfolg durchgeführt werden (plus zwei Fehlversuche). Alleine das Schleifen eines Pleuels dauerte zwischen 4 und 6 Stunden und machte einen riesigen Haufen Dreck und Schleifpapiermüll.

 

Den Rest der Geschichte fasse ich hier einfach mal kurz zusammen: Kupplungsscheibe, Ausrücklager der Kupplung mussten neu rein. Nach dem ersten Lauf des Motors gab es noch mal einen Schock, da ich einen dicken Metallschlamm in der Ölwanne hatte.

Ich habe dann alle Lager noch mal demontiert, „Gott sei Dank“ hatte nirgends etwas gefressen. Es waren wohl Weißmetallreste der alten Lage, die noch in den Kanälen hingen und sich durch den jetzt deutlich höheren Öldruck bis 2,5 bis 3 kg/cm2 ausgespült hatten. 

 

Da habe ich also die Lager noch mal mit 1000er Papier und Öl leicht poliert und wieder verbaut. Nach der nächsten Fahrt sicherheitshalber Ölwanne wieder ab und siehe, das Öl blieb sauber. Aber immer noch wurde der Wagen mit zunehmender Betriebstemperatur langsamer. Wieder auseinanderbauen und sichten. Anscheinend heizten die Pleuls schneller als die Kurbelwelle auf und verklemmten sich dann durch die Breitenausdehnung zwischen den Schultern der Lagerstelle. Also wieder etwas Weißmetall runtergefeilt. Zaghaft - nicht zu viel, sonst fehlt wieder der Öldruck... Jetzt hoffe ich nur, dass Alles auch weiterhin lange hält. Immerhin hat die Reparatur nun mehr als 12 Monate gebraucht und sie war das Komplexeste, was ich in meinem Leben neben meinen Kindern produziert habe, aber das sind drei andere Geschichten...

 

© Arnd Bergmann, Iserlohn 2020